Wie ein kleines Unternehmen die Rotortechnik neu denkt . Oswald Elektromotoren

„Das Fliegen gehört zu den Themen, die einen Techniker einfach faszinieren“, sagt Johannes Oswald. Ein bisschen klingt es, als würde er sich wundern, dass es so lange gedauert hat, bis sein Unternehmen in der Luftfahrt angekommen ist. Denn gebaut wird bei Oswald Elektromotoren schon seit 1909 – hoch spezialisierte Antriebe für Schiffe, Seilbahnen oder Spezialfahrzeuge.

Maßgeschneidert, effizient, in kleiner Stückzahl. Jetzt haben sie sich erstmals an einen kompletten Antriebsstrang für ein Flugzeug gewagt – vollelektrisch und so konstruiert, dass er ganz ohne zusätzliches Kühlsystem auskommt. Eine Lösung, die weltweit ihresgleichen sucht.

Maßarbeit mit Geschichte

Gelegen in Miltenberg am Main, hoch im Norden Bayerns, steht die Oswald Elektromotoren GmbH für eine seltene Kombination aus Tradition und technischer Neugier. Seit über einem Jahrhundert fertigt das Familienunternehmen Antriebssysteme nach Maß – in kleinen Serien und für Anwendungen, bei denen Standardlösungen nicht weiterhelfen. Ob Hafenkran, Spezialfahrzeug oder Fischkutter: Oswald liefert, was exakt passt.

„Wir entwickeln nichts fürs Regal – jede Maschine, die wir bauen, ist für einen konkreten Kunden“, sagt Geschäftsführer Johannes Oswald. Das macht das Unternehmen zum geschätzten Partner dort, wo Serienproduktion an ihre Grenzen stößt. Und es öffnet Türen zu neuen Technologiefeldern: etwa zur supraleitenden Spulentechnik, mit der Oswald schon früh an Hochschulen und Forschungseinrichtungen andockte – und schließlich auch zur Luftfahrt.

Erste Kontakte kamen über Nischenprojekte zustande – ein Antrieb für einen Segelflieger, Maschinen für fliegende Windkraftanlagen. Doch mit dem Projekt EPROREF wurde es ernst: Zum ersten Mal arbeitete Oswald im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms an einem vollständigen elektrischen Antriebsstrang für ein Passagierflugzeug.

Kühlung inklusive

Die Idee war ebenso schlicht wie ambitioniert: ein vollelektrischer Antriebsstrang für ein Passagierflugzeug – ohne externes Kühlsystem. Während herkömmliche Verbrenner ihre Abwärme einfach über den Abgasstrahl loswerden, müssen elektrische Systeme die letzten fünf Prozent Verlustleistung irgendwie ableiten. „Ein Kühlsystem sieht aber kein Flugzeugbauer gern in seiner Maschine – zu schwer, zu komplex und aerodynamisch einfach ungünstig“, sagt Projektleiter Simon Wolfstädter.

Gemeinsam mit zwei Instituten der TU Braunschweig entwickelte Oswald deshalb ein integriertes Gesamtsystem, bei dem Propeller, Elektronik und Motor perfekt zusammenspielen. Das Team um Professorin Regine Mallwitz vom Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB) zeichnete ich dabei für die elektrische Ansteuertechnik auf Silicium-Carbid Basis verantwortlich. Das Flugzeuggesamtkonzept und die Propeller kommen vom Team um Professor Jens Friedrichs vom Institut für Flugantriebe und Strömungsmaschinen (IFAS). Statt zentralem Triebwerk setzt das Konzept auf verteilte Antriebe: sechs kleinere Einheiten pro Flügel. Die Vorteile: geringere Einzellasten, bessere Auslegungsmöglichkeiten – und mehr Spielraum für thermisches Feintuning.

Die größte Herausforderung war das Wärmemanagement. Standardbauteile passten nicht in das kompakte Design. Also entwickelte Oswald das Innenleben von Grund auf neu: von der Leistungselektronik über die Haltestrukturen bis zur letzten Schraube. „Alles wurde auf Leichtbau und Effizienz getrimmt – das war nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch ein ziemlicher Designmarathon“, erinnert sich Wolfstädter.

Dass ein Mittelständler wie Oswald ein solches System überhaupt realisieren konnte, lag auch an der Struktur des LuFo-Programms. „Für einen klassischen Kundenauftrag hätte es noch gar keinen Markt gegeben – die nötigen Energiespeicher fehlen schlichtweg“, sagt Geschäftsführer Oswald. „Aber LuFo hat es möglich gemacht, gemeinsam mit Hochschulen mutige Konzepte voranzutreiben – und das ohne den Druck, sofort ein verkaufsfertiges Produkt liefern zu müssen.“

Zukunft mit Hindernissen

Technisch ist das System bereit für den Einsatz. Auf der Luftfahrtmesse in Friedrichshafen sorgte es bereits für Aufmerksamkeit – Kontakte zu potenziellen Partnern wurden geknüpft, erste Gespräche geführt. Und doch ist klar: Ohne geeignete Energiespeicher hebt noch nichts ab.

„Wenn morgen eine Batterie mit der dreifachen Energiedichte heutiger Systeme auf den Markt käme – dann würde es richtig losgehen“, sagt Johannes Oswald. Bis dahin bereitet sich das Unternehmen strategisch vor: mit einem zertifizierbaren Produkt, wachsender Vernetzung und viel technischer Erfahrung. Nur eines macht dem Mittelständler aus Miltenberg noch Sorgen: die Bürokratie. „Fünf Jahre Zertifizierungsdauer – das ist eine echte Hürde. Wenn man so lange auf den Markteintritt warten muss, vergeht auch dem größten Enthusiasten irgendwann die Lust.“

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