Flugführung

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Die zunehmende Komplexität des Flugverkehrs und die steigenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen erfordern neben regulativen Änderungen auch technologische Lösungen im Bereich der Flugführung. Dieser Themenbereich umfasst die bord- und bodenseitigen Systeme, d. h. Cockpitsysteme / Avionik, Air Traffic Management bzw. Luftverkehrskontrolle und bodenseitige Infrastruktur.

Ziel bis 2030:

  • 30% Reduzierung der Nicht-CO2-Effekte

Ziel bis 2035:

  • Umsetzung der digitalen Vernetzung sowie eines digitalen Luftraummanagements unter Integration aller Luftraumteilnehmer
  • 60% Reduzierung der Nicht-CO2-Effekte

Für die bordseitigen Systeme wird eine schrittweise Erhöhung des Unterstützungs- und Autonomiegrades durch die Einführung neuer, digitaler Assistenzsysteme erwartet, welche auf längere Sicht den Betrieb mit reduzierter Besatzung ermöglichen zu können, bei gleichbleibendem Sicherheitsniveau. Hierbei bietet der Einsatz von adaptiven KI-Systemen große technologische Möglichkeiten, wobei jedoch Probleme der Verständlichkeit und Akzeptanz adressiert werden müssen. Gleichfalls bieten bodenseitig neue, innovative Lotsenassistenzsysteme Möglichkeiten, dem steigenden Luftverkehr sowie den erhöhten Anforderungen an digitales, vernetztes Luftraummanagement und letztlich auch dem Fachkräftemangel in diesem Bereich zu begegnen. Im Bereich der Navigationstechnologien wird von einem steigenden Einsatz GNSS-basierter Verfahren (d. h. auf Basis von Satellitennavigation) für alle Flugphasen ausgegangen, was zum einen neue Möglichkeiten bietet, eine hochgenaue, lärm- und schadstoffeffiziente Routenführung zu realisieren, zum anderen muss dem Problem der steigenden GNSS-Störungen und umweltbedingten Ausfällen begegnet werden (sogenannte „GNSS-denied Umgebung“). Dafür müssen neuartige, hochgenaue Multisensorsysteme und zuverlässige Möglichkeiten zur Erkennung und dem Mapping von GNSS-Störungen erforscht und entwickelt werden.

Ein besonderes Klimapotential bietet die Anwendung moderner Routenoptimierung im Bereich der Minimierung von Nicht-CO2 Effekten: Seit 2025 verpflichtet eine neue EU-Verordnung europäische Fluglinien zur Einbeziehung von Nicht-CO2-Effekten in das Emissionshandelssystem „Non-CO2 MRV“ (Monitoring-, Reporting- und Verification). Fluglinien werden zur Überwachung und Berichterstattung der klimawirksamen Nicht-CO2-Emissionen angehalten. Auf dieser Grundlage sollen ab 2028 Maßnahmen zur Bepreisung der Nicht-CO2 Effekte des Luftverkehrs, insbesondere von Kondensstreifen und Stickoxiden, eingeführt werden. Kondensstreifen liefern dabei einen ähnlich großen Beitrag zur Erwärmung durch den Luftverkehr wie dessen CO2-Emissionen. Daher ergibt sich ein akuter ökonomischer und ökologischer Handlungsbedarf für deutsche Airlines, Navigationsdienstleister, die Flugsicherung und andere Stakeholder, Kondensstreifen zu reduzieren.

Ziel der deutschen Strategie ist es, frühzeitig wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Kondensstreifen durch klimaoptimierte Flugroutenplanung zu entwickeln und ihre operationelle Umsetzung hochzufahren, um den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden und sich gleichzeitig (klima-)wirtschaftlich im internationalen Wettbewerb zu positionieren. Die Strategie soll eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die ökologische und ökonomische Weiterentwicklung des Luftverkehrs liefern und damit deutsche Airlines und Dienstleister bei der Vorbereitung auf künftige Regulierungen unterstützen – mit dem Ziel, ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland zu vereinen. Die Abbildung zeigt die relativen Klimawirkungen der drei Hauptkomponenten des Luftverkehrs: CO2-Emissionen, NOx-Emissionen (über Ozonbildung und Methanabbau) sowie Kondensstreifen und daraus entstehende Zirren. Kondensstreifen verursachen eine Klimawirkung in vergleichbarer Größenordnung wie CO2 (hier ausgedrückt als Global  Warming Potential GWP50; aus Lee et al., 2021). Besonders relevant: Die Bildung wärmender Kondensstreifen ist stark wetterabhängig und tritt nur bei weniger als 5 % der Flüge auf. Die Grafik erläutert das Konzept der Kondensstreifenvermeidung durch strategische Höhenanpassungen um wenige hundert Meter basierend auf genauen Vorhersagen der Regionen mit wärmenden Kondensstreifen. Diese können dann mit minimalem zusätzlichem Kraftstoffverbrauch und leicht erhöhter Flugzeit effizient umflogen werden. Zudem wird das Reduktionspotential des Klimaeffektes dieser Maßnahme dargestellt: Durch gezielte Kondensstreifenvermeidung können bis zu 80 % des Energieeintrages durch Kondensstreifen verhindert werden – mit moderatem betrieblichem Aufwand, aber signifikanten Einsparungen bei künftiger Nicht-CO2-Bepreisung.

Neben der Vermeidung direkter Klimaeffekte rückt auch die Vermeidung weiterer schädigender Emissionen in den Fokus. Fluglärm, welcher insbesondere in dichtbesiedelten An- und Abflugsektoren großer Verkehrsflughäfen wie Frankfurt eine Belastung für die anwohnende Bevölkerung darstellt, ist mittlerweile bei dauerhafter Exposition als gesundheitsschädigend nachgewiesen worden. So zeigt eine aktuelle Untersuchung (1), dass dauerhafte Lärmbelastungen in der Nacht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie psychische Störungen signifikant erhöht, und dies schon bei geringen Lärmpegeln. Abhilfe technische Art können hier neue, GNSS-basierte An- und Abflugverfahren schaffen, welche flugweg- und/oder lärmoptimierte Routen ermöglichen. Anstelle des herkömmlichen, geradlinigen Anflugs können somit beispielsweise kurvenförmige Segmente um Hindernisse oder Besiedelungen herum umgesetzt werden. Der sogenannte „Continuous Descent Approach“ (CDA) zielt auf den optimierten vertikalen Sinkflug mit minimaler Triebwerksleistung, um Horizontalflugphasen und somit geringe Überflughöhen im Anflug zu vermeiden. Dabei werden nicht nur der Lärm, sondern auch Treibstoff und schädliche Emissionen eingespart. Neuartige Assistenzsysteme können den Piloten dabei bei der Planung des (energieeffizienten) Sink- und Anflugs sowie bei der optimalen Konfiguration des Flugzeuges während des Endanflugs helfen. Weitere aktive Maßnahmen umfassen Modifikationen am Flugzeug (2), bspw. durch den Einsatz neuartiger Materialien im Bereich der Hochauftriebshilfen (Klappen und Vorflügel) oder durch modifizierte Triebwerksein- und -auslässe oder Fahrwerksverkleidungen (3). Wesentlich ist auch die Entwicklung moderner Lärmbewertungstools für neuartige, zukünftige Luftfahrzeuge mit potenziell völlig anderen Rumpf-Flügel-Kombinationen und Antrieben. Eine aktuelle Studie des Umwelt-Bundesamtes (4) hebt zudem die Bedeutung von Feinstäuben in der Umgebung von Flughäfen hervor. Die Auswirkungen dieser sogenannten Ultrafeinstäube auf die Gesundheit werden derzeit untersucht, ein Monitoringverpflichtung besteht bereits über die EU-Luftqualitätsrichtlinie. Die Studienlage (5) deutet auf erhöhte Risiken für Bluthochdruck, Diabetes und Demenz in der Umgebung großer Verkehrsflughäfen hin. Je nachdem, ob die Quellen für die Feinstaubemissionen am Boden oder im fliegenden Verkehr liegen, können auch hier (energie-)effizientere An- und Abflugverfahren bzw. optimierte Bodenprozesse mit effizientem Fließverkehr und minimalen Triebwerkleerlaufzeiten (bspw. bei Ankunft am Gate oder vor dem Start) einen Beitrag zur Reduzierung der Mensch- und Umweltbelastungen liefern. Dafür sind neben den bereits erwähnten Assistenzsystemen für den energieoptimalen Flug neue Systeme für die Navigation und Verkehrsflussoptimierung am Boden notwendig. Antriebsseitig können CO2-freie, synthetische Kraftstoffe zu einer Reduzierung der Feinstaubemissionen beitragen.

Im Bereich der Kommunikation wird der digitale Datenlink eine steigende Rolle zum einen als Ersatz für den veralteten VHF-Sprechfunk, zum anderen als Möglichkeit der Vernetzung und des Datenaustauschs dienen. Der digitale Flugfunk und Datenaustausch auf Basis von LDACS (L-band Digital Aeronautical Communications System) wird hier mittlerweise als führender Standard gesehen, es fehlt jedoch noch an bord- und bodenseitigen Umsetzungen. Auch in den Bereichen Satellitenkommunikation und Multilinksysteme liegen noch technologische Herausforderungen, um die geplanten Vernetzungsmöglichkeiten zuverlässig, durchsatzstark und cybersicher über längere Strecken zu realisieren. Angestrebt wird die technologische Realisierung einer Vernetzung sowohl der Luftfahrzeuge untereinander (die auch eine Relay-Funktionen ausüben können, d. h. Daten über weite Strecken satellitenunabhängig weiterleiten) wie auch die direkte Anbindung von Betriebs- und Wartungszentralen sowie der Luftverkehrskontrolle an das Cockpit. Zur Optimierung der Bodenprozesse am Flughafen bieten KI-gesteuerte Prognosesysteme, die Möglichkeit die Auslastung der Bodenflächen (insbesondere Anflugbereich und Piste, aber auch Terminal) vorherzusagen und entsprechende Empfehlungen auszugeben, womit der steigenden Überlastung der bestehenden Infrastruktur begegnet wird.

Eine weitere Herausforderung liegt in der Integration unbemannter Fluggeräte in das Luftraummanagement. Dafür ist eine neue, vollständig digitale, leistungsfähige und datenbasierte Luftraumerfassung notwendig, sodass ein dynamisch steuerbares Management des unteren und oberen Luftraums umgesetzt werden kann. Die dafür benötigten Systeme gehen in Ihren Möglichkeiten über die klassischer Radarsysteme hinaus. Es bedarf neuer, aktiver und leistungsorientierter Sendesysteme, die auf den jeweiligen Luftraum und den Nutzer abgestimmt sind und eine kontinuierliche Erfassung von Typ, Position, Höhe, Geschwindigkeit und Flugperformance aller Luftfahrzeuge ermöglichen. Dies kann durch neue Technologien wie ADS-L auch kosteneffizient umgesetzt werden. Entsprechend müssen neue Kommunikationsinfrastrukturen geschaffen werden, die redundant sind und auch unter Störeinflüssen, technischen Fehlern oder gezielten Angriffen funktionsfähig bleiben. Durch moderne Flugführungs- und Lotsentechnologien werden zudem Engpässe frühzeitig erkannt, Wetterdaten integriert und neue Staffelungskonzepte umgesetzt. Dies erlaubt eine höhere Verkehrsdichte unter Integration neuer Luftraumteilnehmer bei gleichbleibend hohem Sicherheitsniveau. Auch abseits großer Verkehrsflughäfen muss eine umfassende, interoperable Datengrundlage für das Luftraummanagement geschaffen werden.

Aus den genannten Herausforderungen und Zielen ergeben sich zentrale Innovationsfelder, die für die nächste Generation von Luftfahrtsystemen maßgeblich sind:

  • FF-01: Klimaeffiziente Routenführung
  • FF-02: Optimierte Bodenprozesse
  • FF-03: Fortschrittliche (KI-basierte) Assistenzsysteme
  • FF-04: Digitaler Funkverkehr und Datenaustausch
  • FF-05: Durchgängige Vernetzung und Konnektivität
  • FF-06: Optimierte Bodenprozesse

Quellen

Übersicht der einzelnen Technologiebausteine im Bereich Flugführung

Für den Themenbereich Flugführung wurden einzelne Technologiebausteine definiert, die den aktuellen Forschungsbedarf bis 2050 aufzeigen. Gerne können Sie in der nachfolgenden Grafik auf die einzelnen Elemente klicken, dann gelangen Sie in die detaillierten Beschreibungen der einzelnen Technologiebausteine.

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