Ein Flugzeug wird binnen sechs bis acht Jahren entwickelt, in drei bis sechs Monaten gebaut und ist anschließend bis zu 30 Jahre im Einsatz. Während dieser Zeit muss es zur Erhaltung der Lufttüchtigkeit und Flugsicherheit kontinuierlich technisch betreut und modifiziert werden. Dies wird üblicherweise den Begriffen Wartung, Reparatur und Überholung (Maintenance, Repair and Overhaul – MRO) zugeordnet.
Ziele:
Die MRO-Industrie (Maintenance, Repair and Overhaul) unterscheidet sich grundlegend in ihrer Wertschöpfungslogik vom klassischen Neugeschäft. Im Fokus stehen betriebliche Potenziale statt einzelner Produkte. Zur systematischen Bewertung technologischer Entwicklungen können vier strategische Wirkungsperspektiven zugeordnet werden:
Standortperspektive Deutschland: Sicherung von Beschäftigung, Förderung nationaler Materialkreisläufe, Qualifikationsentwicklung und Wissenssicherung.
Unternehmensperspektive MRO: Effizienzsteigerung durch Reduktion von Durchlaufzeiten, Kosten, Material- und Energieeinsatz.
Kundenperspektive (Airlines): Verbesserung von Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Lebensdauer technischer Systeme.
Digitalisierungsperspektive: Etablierung resilienter, datenzentrierter und cybersicherer Kooperationsstrukturen.
In Deutschland erbringen weltweit anerkannte, zuverlässige und hochkompetente Akteure der MRO-Branche – darunter der globale Marktführer – Leistungen für Airlines aus der ganzen Welt. Mit einem weltweiten Umsatz von über 120 Milliarden Euro in 2024 (siehe Abbildung 1: Der globale MRO-Markt) ist die MRO-Industrie in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung vergleichbar mit dem gesamten Neuwagenmarkt Europas – ein eindrucksvolles Zeugnis ihrer strategischen Relevanz. Die MRO-Industrie stellt in Deutschland allein bei den direkten Dienstleistern (ohne deren Zulieferkette) mehr als 30.000 zumeist hochqualifizierte Arbeitsplätze, die sich über alle Regionen in Deutschland erstrecken. Die Branche verzeichnet seit Jahren ein konstantes Wachstum, und wird auch in der nächsten Dekade Wachstumsraten konsequent über denen der Gesamtwirtschaft erbringen. Dabei profitieren die deutschen MRO-Unternehmen insbesondere vom Geschäft mit aufstrebenden Airlines, die den technischen Dienstleistungen etablierter MRO-Unternehmen vertrauen, um hohe Wachstumsraten bei gleichzeitiger Zuverlässigkeit zu gewährleisten.
Die hohe technologische Reife, die die Luftfahrt erreicht hat, beruht auf fortwährenden Verbesserungen. Die der Industrie zugrundeliegende Einstellung, dass geplante und ungeplante Ausfälle und damit einhergehende Kosten so weit wie möglich vermieden werden sollen, führt zu einer integrierten Wissenskultur. Erkenntnisse aus dem Flugbetrieb werden in strukturierter Form erfasst, analysiert und über Unternehmensgrenzen hinweg weitergegeben, sodass das gesamte Ökosystem profitiert. Technologische Weiterentwicklungen in der Wartung und Reparatur, sowie im technischen Betrieb von Luftfahrzeugen, haben wie die akademische Forschung oft keinen direkten Bezug zu einem einzelnen Produkt. Vielmehr sind Erkenntnisse und Innovationen aus dem operativen Flugbetrieb über Bauteilgrenzen hinweg unverzichtbare Datenquellen zur Optimierung bestehender und zukünftiger Produkte der Entwicklungs- und Herstellunternehmen (siehe Abbildung 2: Wissenskreislauf in der Luftfahrtforschung).
Abbildung 1: Der globale MRO-Markt
Abbildung 2: Wissenskreislauf in der Luftfahrtforschung
Gemessen an der langen Betriebszeit eines Flugzeugs sind daher eine langfristige, belastbare Strategie zur Neuausrichtung des LuFo sowie Planbarkeit für Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Akademia unerlässlich. Moderne Luftfahrtsysteme ermöglichen einen wesentlich treibstoffärmeren Betrieb der Flugzeuge, jedoch bei vielen Bauteilen zu dem Preis einer gesteigerten Komplexität im Betrieb. Dies reicht von den verwendeten Fertigungsverfahren, über die Anzahl der Einzelteile, bis zu den vorgeschriebenen funktionalen Eigenschaften besagter Bauteile.
Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen ist in der Luftfahrt ein hoher Kreislauf-Anteil von über 80% üblich. Diese hohe Quote des Industriezweigs reflektiert die Bemühungen der MRO-Industrie, über den gesamten Lebenszyklus eines Fluggeräts durch konsequente Weiterentwicklung von Reparaturmöglichkeiten einen nachhaltigen Betrieb zu gewährleisten. Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sind inhärente Ziele der MRO-Branche. Jede Komponente, die repariert werden kann, muss nicht neu angefertigt werden, was in aller Regel zu niedrigeren Kosten und Ressourceneinsatz führt. Ökologie und Ökonomie gehen hier Hand in Hand.
Über die letzten Jahrzehnte entwickelte sich MRO von der Betreuung der jeweils eigenen Flotte zu einem globalen Geschäft – deutsche Hochtechnologie im Bereich MRO wird weltweit als führend anerkannt. Insbesondere werden komplexe Leistungen an Triebwerken, Komponenten, sowie Modifikationen von Flugzeugzellen durch Kunden aus der ganzen Welt bei deutschen MRO-Dienstleistern nachgefragt. Zugleich wurde die Bedeutung robuster, nationaler MRO-Kapazitäten zuletzt durch die Veränderungen der globalen Handelspolitik, insbesondere durch Zölle oder Exportbeschränkungen, deutlich. Dies wirkt sich direkt auf die Luftfahrtindustrie mit ihren globalen Lieferketten aus. MRO-Dienstleistungen, die in Deutschland erbracht werden können, verringern Abhängigkeiten, erhöhen die Versorgungssicherheit und schützen Luftfahrt-Unternehmen vor geopolitisch motivierten Handelsbarrieren. In Zeiten zunehmender internationaler Unsicherheiten gewinnt daher der Erhalt und Ausbau von Wartungs- und Instandhaltungskompetenzen zusätzlich an strategischer Relevanz.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Um dem steigenden globalen Bedarf gerecht zu werden und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit des Gesamtsystems zu leisten, bedarf es technologischer Weiterentwicklungen, und hierfür wiederum wegweisender Forschungsaktivitäten im MRO-Bereich. Hierbei ist eine Verzahnung zwischen Akademia und Industrie unverzichtbar. Eine Berücksichtigung durch passgenaue Fördermaßnahmen im Bereich MRO von Luftfahrzeugen leistet unmittelbar einen Beitrag zur Standortsicherheit, Wettbewerbsfähigkeit sowie Unabhängigkeit und fördert den Ausbau hochqualifizierter Arbeitsplätze in Deutschland. Die Schwerpunkte der technologischen Weiterentwicklung im MRO-Bereich werden in den folgenden Kapiteln erläutert.
Für den Themenbereich Wartung, Reparatur, Überholung wurden einzelne Technologiebausteine definiert, die den aktuellen Forschungsbedarf bis 2050 aufzeigen. Gerne können Sie in der nachfolgenden Grafik auf die einzelnen Elemente klicken, dann gelangen Sie in die detaillierten Beschreibungen der einzelnen Technologiebausteine.
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