Vor dem Hintergrund der fortschreitenden menschengemachten Erderwärmung sind im Luftfahrtbereich neue, klimafreundliche Antriebstechnologien unverzichtbar, um die Ziele der Klimaneutralität der Bundesregierung bis 2045 und der EU bis 2050 zu erreichen. Diese Transformation stellt nicht nur eine ökologische, sondern auch eine strategische Herausforderung dar, die eng mit den Themen technologische Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit verknüpft ist.
Die Entwicklung und industrielle Umsetzung zukunftsfähiger Luftfahrtantriebe ist entscheidend, um die technologische Rolle Europas zu stärken und eine Gesamtsystemfähigkeit zu erhalten. Dies fördert die strategische Autonomie im Bereich der Luftfahrttechnologie und sichert die langfristige Positionierung im globalen Wettbewerb. Gleichzeitig ist die Fähigkeit, innovative, effiziente und emissionsarme Antriebe zu entwickeln und zu skalieren, ein zentraler Faktor für die wirtschaftliche Stärke und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrtindustrie. In einem weltweit wachsenden Markt mit steigenden Umweltanforderungen kann nur derjenige Anbieter langfristig erfolgreich sein, der auch technologisch führend ist. Die Erforschung und Einführung nachhaltiger Luftfahrtantriebe ist daher nicht nur eine ökologische Aufgabe, sondern auch eine entscheidende Investition in die technologische Unabhängigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit Europas.
Für Flugzeugantriebssysteme sind Technologiebausteine zur Steigerung der Effizienz essentiell. Die Gasturbine hat sich als Antriebskonzept in allen marktgängigen Größenklassen und Reichweiten, von kleinen Geschäfts- über Regionalflugzeuge bis hin zur Kurz-, Mittel- und Langstrecke durchgesetzt. Aufgrund ihrer unerreichten Leistungsdichte ermöglicht sie einen optimalen Missionsenergieverbrauch und damit den aktuell geringsten Kraftstoffverbrauch im Vergleich mit anderen Kraftstoffkonzepten. Die CO2-Emissionen sind dabei über den Treibstoffverbrauch direkt mit dem Energiebedarf des Antriebssystems verknüpft, der durch den thermischen und den propulsiven Wirkungsgrad bestimmt wird. Der thermische Wirkungsgrad gibt dabei an, wie effizient Verbrennungswärme in mechanische Leistung umgewandelt wird. Er ist abhängig von der Turbineneintrittstemperatur und dem Kompressionsverhältnis des Triebwerks. Der Vortriebswirkungsgrad ist ein Maß dafür, wie effizient mechanische Leistung in nutzbaren Schub umgewandelt werden kann, und wird vor allem durch ein hohes Nebenstromverhältnis positiv beeinflusst. Auch wenn heutige, mit modernsten Gasturbinen betriebene Flugzeuge bereits über 80% geringere CO2-Emissionen pro Passagierkilometer als zu Beginn der Luftfahrt aufweisen, gibt es weiterhin erhebliche Verbesserungspotentiale, bspw. durch die weitere Erhöhung der Komponentenwirkungsgrade oder die Entwicklung von widerstandsfähigen und langlebigen Hochtemperaturmaterialien sowie eine Optimierung verlustarmer Getriebetechnologien und eine Reduzierung des Fan-Druckverhältnisses. Neue thermodynamische Kreisprozesse haben das Potential, die Gasturbine einen weiteren Schritt im Sinne der Reduktion des Energieverbrauchs, aber auch der Gesamtklimawirkung zu verbessern.
Dies gilt auch für Konzepte zur milden Hybridisierung der Gasturbine. Da die Reife der Fluggasturbinen aber bereits heute schon auf einem sehr hohen Niveau ist, werden zusätzliche Effizienzgewinne zunehmend kostenintensiver und erfordern einen höheren Aufwand an eine Validierung auf Systemebene durch die Bereitstellung hinreichender Testeinrichtungen zur frühzeitigen Demonstration der Technologie unter luftfahrtrelevanten Einsatzrandbedingungen. Die Nutzung dieser Potentiale ist nicht nur aus ökologischer Sicht wichtig, sondern hilft, die Betriebskosten der Fluggesellschaften zu minimieren, da die Kraftstoffkosten einen signifikanten Anteil der Betriebskosten darstellen. Weitere zentrale Designziele zur Reduktion der Betriebskosten sind die Minimierung von Produktions- und Wartungskosten. Auch vor dem Hintergrund der langen Lebenszyklen von Flugzeug und Antrieb ist eine ständige Verbesserung dieser eine Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, nicht nur für die Fluggesellschaft, sondern auch für Herstell- und Wartungsbetriebe.
Da die Reduktionsschritte aufgrund des bereits heute sehr hohen Effizienzniveaus immer kleiner werden, ist für die Erreichung der Emissionsziele die Einführung nachhaltiger Energieträger unabdingbar. Eine CO2-neutrale Luftfahrt ist nur über den flächendeckenden Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe wie SAF (sustainable aviation fuels) oder Wasserstoff möglich. Die Nutzung von SAF ist in heutigen Gasturbinen bereits möglich und hat damit ein signifikantes, sofort nutzbares Potential. Die Weiterentwicklung der Energiebereitstellung weg von fossilem Kerosin hin zu synthetisch hergestellten Power-to-Liquid-(PtL-)Kraftstoffen auf Basis erneuerbarer Energien ermöglicht es, Treibstoff und Brennersystem gemeinsam zu optimieren und beispielsweise den Ausstoß von Rußpartikeln zu vermeiden, die als Kondensationskeime zur Bildung beständiger Kondensstreifen-Zirren beitragen. Neben dem positiven CO2-Effekt zeigt SAF damit auch ein Potential zur Reduzierung der Nicht-CO2-Effekte. Für Langstreckenflüge stellen diese Drop-In- oder Near-Drop-In-Brennstoffe aufgrund der hohen gravimetrischen Energiedichte aus heutiger Sicht die realistischste Alternative zu herkömmlichem Kerosin dar. Die größte Hebelwirkung zur Reduktion der Klimawirkung wird aufgrund der Einsetzbarkeit für alle Flugzeugklassen kurzfristig durch die Kombination von energieeffizienten Technologien und regenerativ erzeugtem Kerosin erreicht, welches abhängig vom Herstellverfahren nahezu CO2-neutral produziert werden kann. Die Kapazität zur Produktion dieser nachhaltigen Flugkraftstoffe (sustainable aviation fuels, SAF) ist in Deutschland, aber auch weltweit zum aktuellen Zeitpunkt nicht annähernd ausreichend, um die Bedarfe zu decken. Auch aus diesem Grund muss die Luftfahrtindustrie die Entwicklung und Produktion aktiv mit vorantreiben, um die Marktdurchdringung zu erhöhen, konkurrenzfähige Preise zu ermöglichen und somit mittelfristig die Sektorziele im Luftverkehr zu erreichen.
Zur langfristigen Sicherstellung der Klimaneutralität im Luftfahrtbereich ist es alternativlos, daneben Technologien zur Nutzung vollständig CO2-freier Energieträger zu entwickeln, die die Anwendung von Wasserstoff ermöglichen. Grün hergestellter Wasserstoff kann dabei aufgrund der besseren Gesamtenergiebilanz ggü. SAF eine Alternative sein, die zunächst in Gasturbinen eingesetzt werden und perspektivisch alle Größenklassen bedienen kann. Die Verwendung von Wasserstoff als Brennstoff erfordert in diesem Zusammenhang die systematische Erforschung und Entwicklung von sicheren, zuverlässigen und schadstoffarmen Wasserstoffbrennern sowie eine sichere Handhabung zur Beherrschung von Wasserstoff und einem erhöhten Wasserdampfanteil im Heißgasbereich. Weitere Forschungsfelder sind die Entwicklung neuer Materialien und Systeme für die Verarbeitung, Nutzung und Lagerung von Wasserstoff sowie die Gewährleistung eines sicheren Betriebs durch eine angepasste Operation und Wartungsmethoden. Darüber hinaus bedarf die Einführung von Wasserstoff großer infrastruktureller Anpassungen, die parallel zur Entwicklung neuer Flugzeuge und Antriebe vorangetrieben und durch die Luftfahrtindustrie selbst unterstützt werden müssen.
Viele dieser Aspekte sind ebenso notwendig für die Einführung von Wasserstoff-Brennstoffzellen als Energielieferant für klimafreundliche Antriebssysteme, die zunächst für kleinere Anwendungen im Bereich der Regionalflieger interessant werden könnten, aber perspektivisch auch in den Multi-MW-Bereich heutiger ziviler Verkehrsflugzeuge skaliert werden sollen, um dort die Klimawirkung relevant zu verringern. Notwendige Forschungsbedarfe im Zusammenhang mit der Brennstoffzelle sind vor allem Speichersysteme für Wasserstoff und elektrische Energie (Erhöhung der massenspezifischen Effizienz), Konditionierungssysteme für Flüssigwasserstoff (LH2), die Steuerung und Verteilung elektrischer Leistung und das Thermalmanagement elektrischer Antriebe. Die Erreichung von Klimaneutralität ist nur über die vollständige Elektrifizierung des Antriebssystems möglich. Auch wenn der bisher erreichte Technologiereifegrad noch nicht ausreicht, um größere zivile Verkehrsflugzeuge im Sinne einer Hochleistungselektrifizierung zu betreiben, ist die Betrachtung batterie-elektrischer Komponenten interessant für die Bereitstellung kurzfristiger Leistungsbedarfe in kritischen Flugphasen (Start- und Steigflug, Durchstarten nach Landeabbruch). Die Verwendung vollelektrischer Antriebe erlaubt überdies die Vermeidung gesundheitsschädlicher Emissionen wie Stickoxide oder Ruß in Flughafennähe und trägt zur Vermeidung von Fluglärm bei, jedoch ist diese Antriebstechnologie zunächst aufgrund ihrer geringen Leistungsdichte absehbar auf kleine Anwendungen, bspw. UAM und General Aviation, begrenzt.
Für den Themenbereich Antriebe wurden einzelne Technologiebausteine definiert, die den aktuellen Forschungsbedarf bis 2050 aufzeigen. Gerne können Sie in der nachfolgenden Grafik auf die einzelnen Elemente klicken, dann gelangen Sie in die detaillierten Beschreibungen der einzelnen Technologiebausteine.
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